Radio Tweets

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Ute Wassermann Birgit Ulher 2

 

Jetzt wird es experimentell:
Daß Klang einen Klangraum braucht, damit darin andere Dinge zum Mitschwingen angeregt werden, dies ist ein Phänomen, welches auf physikalischer Ebene und auf semantischer Ebene  gleichermaßen gilt. Einerseits bedarf der Klang, um überhaupt hörbar zu sein der Resonanz, andererseits werden auf der Ebene der Assoziationen die man mit einem Klang verbindet, verschieden Bedeutungen ausgelöst, die a priori in der Wahrnehmung des Klanges mitschwingen. Wir hören eben nicht nur einen abstrakten Klang, sondern legen dem gleich immer eine bestimmte Bedeutung bei. So hören wir zum Beispiel ein Traktorengeräusch, und können, wenn wir damit vertraut sind, diesem sogar die Marke oder das Baujahr zuordnen.

Dieses Phänomen wird von den beiden Musikerinnen und Klang-Forscherinnen Ute Wassermann und Birgit Ulher auf eine faszinierende Weise zum Thema gemacht.

In ihrem Projekt Radio Tweets mischen sich Assoziationen aus der Welt des Radios mit solchen aus der Welt der Vögel, wobei der Clou an der Sache ist, daß dies zum großen Teil mittels rein akustischen, d.h. nicht elektronisch bearbeiteten Klängen bewerkstelligt wird, wenn man von den Radioklängen mal absieht. Dies geschieht aber nicht nur impressionistisch, sozusagen an der Oberfläche des Klangs. Es wird vielmehr versucht, tiefer in das Klanggeschehen einzudringen, indem Strukturmomente aus der Radiotechnik die Klangerzeugung selbst bestimmen, oder zumindest beschreiben. Frequenzy Shifting, Demodulation, Reflection, Polarization, so lauten Titel ihrer faszinierenden  Stücke, alles Begriffe aus der Radiotechnik.
In einem andern Stück mit dem Titel Radio für Birds dreht es sich allerdings noch einmal weiter: die von uns mittels des Klangs der Vogelstimmenpfeife imaginierten Vögel werden jetzt selbst zum Adressaten der Radio Tweets. Hier beginnt sich alles zu mischen, und wir werden durch ein raffiniertes Vexierspiel von Klängen und Klangimitaten geführt.

 

Auf dem Cover, der 2012 veröffentlichten CD Radio Tweets ist vor einem graublauen Hintergrund eine, sich auf einen schmalen Amplitudenbereich erstreckende, dunkelblaue Linie zu sehen, bisweilen von schwarzen Interpunktionen unterbrochen. Beim genaueren Hinsehen entpuppt sich dies als eine Küstenlinie, fast wie eine Fata Morgana, wahrscheinlich an der Nordseeküste. Dieses Foto, welches die Trompeterin Birgit Ulher gemacht hatte,  illustriert perfekt das künstlerische Prinzip, wie analog zur Klangwahrnehmung sich auch in der Bildwahrnehmung Bedeutungen mischen.