Der Jazzverein Kassel im Theater im Friederizianum (tif) schreibt zu diesem Ensemble:
Musik geschieht. Wie absichtslos: ein Gedanke, ein zweiter, dann ein weiterer, und schon hat sich alles verändert und die Gedanken haben eine neue Gestalt angenommen. So oder so ähnlich ist das Ideal des Jazz. Musiker kommen zusammen, einer spielt und hat eine Idee, die anderen kommen dazu und lassen Dinge geschehen, unvorhersehbare, ungeahnte, sehr persönliche Dinge: das Ziel ist Schönheit und Ausdruckskraft.
Treffen vier Musiker aufeinander: Der Kontrabassist Matthias Akeo Nowak und der Tenorsaxofonist Sebastian Gille, der Schlagzeuger Bill Elgart und der Pianist Achim Kaufmann – sehr verschieden, was Alter und Lebensweg angeht und doch verblüffend dicht beieinander, wenn man den Fluss der musikalischen Ideen in den Fokus stellt. Da ist Sebastian Gille, der Jüngste im Quartett, geboren 1983 in einem Dorf bei Quedlinburg im Harz, für den das Ende der DDR gerade rechtzeitig gekommen war, um ihm die Tore zum Jazz zu öffnen. Schnell entwickelt sich der junge Saxofonist zu einem der eigensinnigsten und ausdrucksstärksten Vertreter seines Fachs weit und breit, in dessen Ton bei aller Wärme der Atem zu hören ist, Sensibilität und Verletzlichkeit und der Wille, Grenzen zu überschreiten.
In Köln trifft Sebastian Gille, (in Zoglau 2015 mit dem Robert Landfermann Quintett) auf Matthias Akeo Nowak (2012 in Zoglau mit den Lotus Eaters), und gemeinsam beschließen sie, dieses Quartett zu gründen. Nowak, geboren in Berlin, familiär mit Spuren japanischen Ursprungs verbunden, verwurzelt in einem weiten Feld zeitgenössischer Musik zwischen Jazz, Rock und Symphonik und bekannt als ein Virtuose der mannschaftsdienlichen Ökonomie, ist sieben Jahre älter als Gille und funkt ganz offensichtlich auf der gleichen Wellenlänge.
Als der in Würzburg lehrende Schlagzeuger Bill Elgart, Jahrgang 1942, ein Veteran des modernen Jazz, der seine ersten Meriten an der Seite von Musikerinnen wie Paul und Carla Bley oder Gary Peacock verdiente, zu den beiden stieß, bekam das Projekt Konturen. Mit Achim Kaufmann (s. das erste Konzert mit dem Sestetto Internazionale), geboren 1962 in Aachen, einem expressiven Abstrakten unter den Pianisten, der es wie kaum ein anderer versteht, in der Improvisation Spielfreude und Stringenz, Zufall und Struktur auszubalancieren, war bald der Vierte im Bunde gefunden.
Gemeinsam spielen die vier so unterschiedlichen Musiker eine Musik, in der alle Voraussetzungen, die Unterschiede der Lebenswege und Erfahrungshorizonte keine Rolle mehr spielen – mit äußerster Konzentration arbeiten alle vier daran, immer wieder neue Melodien, Rhythmen, Texturen geschehen zu lassen. Ob es Elgart ist, der sein Schlagzeug mit einem enormen Farbenreichtum spielt, so dass unter den rhythmischen Akzenten melodische Bewegungen mitschwingen, oder Kaufmann, der mit den reichen Harmonien in seiner linken Hand stets das Potential für plötzliche Richtungswechsel bereit stellt; ob Nowak mit einer sehr ausgeschlafenen Phrasierung und großer Ruhe die verschiedenen melodischen Fäden verknüpft oder Gille, der mit seinem markanten, fast schon atemlosen Ton und einer nahezu asketischen Ruhe nur die Töne aneinanderreiht, die die Musik wirklich braucht: es ist hohe Improvisationskunst, die es hier zu erleben gibt.