Daß das wieder möglich ist!
War es in der barocken Spielpraxis bis hin zur frühen Romantik noch üblich, in öffentlichen Aufführungen Kompositionen und Improvisationen darzubieten (so ist z.B. der Ruf Beethovens als Improvisator legendär), hat sich die Improvisation im Laufe der zunehmenden Ausdifferenzierung und Spezialisierung der musikalischen Praxis ins Private zurückgezogen. Erst im Jazz ist die Improvisation wieder zu Ehren gekommen; allerdings wäre es verfehlt den Jazz mit Improvisation gleichzusetzen, denn dieser hat sich im Laufe seiner Geschichte, die in feste Arrangements und Kompositionen namlich für größere Ensembles mündete, zu einer bisweilen standardisierten Klangsprache entwickelt. Auch im Jazz gab und gibt es eine Bewegung von Improvisation zu festen Kompositionen, gleichzeitig aber auch zurück von komponierten Stücken zur Improvisation.
Johanna Summer ist eine junge Pianistin, die in diesen beiden Welten, der des Jazz und der der klassischen Musik zu Hause ist. Ihre Musik knüpft bewußt an die anscheinend versiegte Quelle der Improvisation in der klassischen Musik an und macht vermöge ihrer Gestaltungskraft und musikalischen Potenz publik, was sonst leider nur allzu oft im stillen Kämmerlein verklingt: Daß Improvisation auch mit der Klangsprache der Romantik möglich ist. Dabei verfällt sie nicht einer akademisierenden Harmonietreue; sie entwickelt vielmehr ihre Musik frei, auch auf das Risiko hin Fehler zu machen. Diese können dann durch ihre Einbeziehung in den Lauf der Musik als interessante Mutationen fungieren. Sie erliegt aber auch nicht der Gefahr das Ganze bloß zu verjazzen und gebräuchliche Harmonien und Rhythmen oberflächlich auf die musikalischen Vorlagen zu legen. Johanna Summer vermag vielmehr die Musik von innen heraus improvisatorisch zu modellieren. Der Hörer wird auf diese Weise der ursprünglichen Potentialität von Musik gewahr, die in den üblichen Wiederholungen des Klassikbetriebes auf Eis gelegt zu sein schien.
Was wir hören ist kein simulierter Schumann, was wir hören ist vielmehr Schumann, wie Johanna Summer ihn empfindet und wie wir diesen dann auch selbst hören können: Als einen offenen, prinzipiell unabschließbaren musikalischen Raum, dessen Horizonte und Ausblicke eine Sehnsucht entfalten, ein Verlangen danach, daß Musik geschehen möge.
Johanna Summer wurde in Plauen geboren. Sie begann im Alter von 7 Jahren mit klassischem Klavierunterricht und war mehrmalige Preisträgerin bei Jugend musiziert und Jugend jazzt. Bis 2018 studierte sie in Dresden Jazzklavier und konzertiert regelmäßig in verschiedenen Besetzungen – sowohl kammermusikalisch als auch solistisch. Johanna war u.a. Mitglied im Bundesjazzorchester (Bujazzo). Im Dezember 2017 erschien ihr Trio-Debütalbum Juvenile. Für die Stücke, die auf diesem Tonträger erschienen sind, erhielt sie im folgenden Jahr den Sonderpreis für Komposition des Biberacher Jazzpreises. Im gleichen Jahr wurde sie als erste Solokünstlerin überhaupt mit dem Jungen Münchner Jazzpreis ausgezeichnet. 2019 gewann sie den 2. Preis des EASTplugged Junior Awards und den Solistenpreis des Jungen Deutschen Jazzpreises.
Im April 2020 erschien ihr Solo-Debüt Schumann Kaleidoskop beim Label ACT. Auf diesem Album spannt sie einen weiten, improvisatorischen Bogen über Stücke aus Robert Schumanns Kinderszenen und Album für die Jugend – Stücke, die ihr, und den allermeisten Pianisten, tief vertraut sind, die sie als Ausgangspunkt für komplett freie Improvisationen nutzt und so bei jedem Anlauf ganz neue Musik entstehen lässt.
Johanna Summer wird zum ersten Mal in Zoglau3 auftreten